WiWi Gast schrieb am 04.03.2024:
Das Thema Erschwinglichkeit wird hier auf einem größtenteils lächerlichen Niveau diskutiert. Zieht doch einfach die Empirie heran - das sind dann belastbare Daten statt Baugefühl-Blabla.
Beispiel OECD-Erschwinglichkeitsindex für Wohnimmobilien in Deutschland (3. Q 23: 114,3 Punkte):
Die Erschwinglichkeit ist aktuell deutlich schlechter als in den späten Nuller- und frühen Zehnerjahren, aber deutlich besser als in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren (und auch 2021 u. 2022). Und was die künftige Entwicklung angeht kann man wohl nur sagen: Prognosen sind schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.
Empirie ist schön und gut. Leider hat man bei so langen historischen Zeitreihen erhebliche Unsicherheiten diverser Natur (Änderung Verhaltensweisen, Art der Inflationsmessung, Berücksichtigung von unterschiedlichen Qualitätsstandards, Annahmen zur Finanzierungsstruktur u.v.m.). Letztendlich gibt es nicht die eine Vergleichsmethode, sondern eine Vielzahl an Vergleichsmethoden, die holistisch betrachtet ein realistisches Bild zeichnen.
In Summe lässt sich mit Sicherheit sagen, dass es aktuell deutlich schwieriger ist als in den 10er-Jahren, was dreierlei Ursachen hat: Höhere Baukosten, teureres Bauland und höhere Zinsen. Ich würde auch so weit gehen, dass es in den 90er-Jahren deutlich schwieriger war (Immobilienboom nach Öffnung des Ostblocks mit danach jahrelanger Seitwärtsbewegung in Kombination mit sehr ohen Zinsen). Dass dennoch viele Immobilien gebaut wurden, liegt mit Sicherheit an der größeren Sparsamkeit der damaligen Generation (weniger Fernreisen, weniger technischer Schnickschnack etc.). Noch weiter in die Vergangenheit möchte ich aus oben genannten Gründen eigentlich gar nicht gehen. Wie will man ernsthaft ein Haus und die Lebenssituation 1960 mit heute vergleichen? Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es für das Haus meiner verstorbenen Oma von 1960 weniger VW Käfer gebraucht hat, als man heute (und das auf dem Land) VW Golf bräuchte. Gleiches gilt für TV und andere Dinge. Ein Haus ist heute einfach relativ teurer zu anderen Alltagsgegenständen als noch 1960.
Ein wichtiger Punkt wurde auch angesprochen: Die Immobilienpreise divergieren heute deutlich stärker zwischen Stadt und Land als das noch vor ein paar Jahrzehnten der Fall war. Ich würde auch nicht behaupten, dass das daran liegt, dass man heute in die Metropole ziehen muss, um einen Job zu finden. Es ist einfach so, dass man heute seinen Job nicht mehr nach Ort, sondern nach Qualifikation sucht. Früher hat man im kleinen Industrieunternehmen eine technische oder kaufmännische Ausbildung gemacht und ist dort geblieben. Heute studiert man, um Ingenieur oder Controller im IGM-Unternehmen am anderen Ende des Landes zu werden. Als Konsequenz ist es auch nach dem Zinsanstieg auf dem Land noch vergleichsweise erschwinglich (wenn man so sparsam wie früher lebt), aber in der Stadt aufgrund der relativen Attraktivitätssteigerung, die die Stadt seither erlebt hat, deutlich schwieriger. Es kann sich nun jeder selbst entscheiden, ob die nationale und globale Wanderungsbereitschaft den Wohlstand des Einzelnen in der Regel erhöht oder nocht.
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